Literatur

Die fremde Tochter (Anja Jonuleit)

Lin Berwanger ist die Tochter einer wohlhabenden Familie, seit Jahrzehnten haben ihre Vorfahren ein Monopol in der Teeindustrie und produzieren feinsten chinesischen Tee. Wer ihr Vater ist, hat Lin nie erfahren. Bis zu jenem Tag, als ihre Mutter Émilie ihr am Krankenbett in der Pariser Heilklinik, in der sie liegt, das Geheimnis um dessen Herkunft verrät. Als sie erfährt, dass es sich bei ihrem Vater um den Tee-Künstler Monsieur Cho handelt, der nur wenige Straßen entfernt lebt, zögert sie nicht lange und verabredet ein Treffen mit ihm. Cho ist von der Nachricht, Vater einer Tochter zu sein mehr als überwältigt, doch so schnell Lin in sein Leben getreten ist, so schnell verschwindet sie auch wieder. Sowohl von Lin als auch von ihrer Mutter Émilie fehlt mit einem Mal jede Spur. Während Cho sich auf die Suche nach seiner verlorenen Familie macht, taucht er immer tiefer ein in die Vergangenheit und in jenen Sommer, als er Émilie auf den Teeplantagen in China für sich gewann und kurz darauf für immer verlor…
Schon länger bin ich Fan von Anja Jonuleit und kann erleichtert sagen, dass mir auch Die fremde Tochter aus ihrer Feder gut gefallen hat. Jonuleit ist eine Meisterin darin, Spannung und Gefühle miteinander zu verbinden und Handlungen aufzubauen, die sich auf verschiedenen Zeitebenen wie filigrane Puzzleteile ineinander setzen. In Die fremde Tochter bekommt man abwechselnd Einsicht in das Leben von Cho (in der Gegenwart) und von Émilie und ihrer Mutter Adèle (in der Vergangenheit). Die Geschichte läuft recht ruhig an und ich brauchte ein bisschen, um wirklich in die Handlung einzutauchen. Dann aber wurde es schnell spannend, immer mehr Fragen kamen auf und es machte großen Spaß mitzurätseln und Theorien über den Ausgang des Buches anzustellen. Jonuleit schreibt flüssig, ohne Längen und hat es geschafft mir die einzelnen Figuren nahe zu bringen. Etwas fehlte mir der historische Bezug: in ihren anderen Büchern greift die Autorin oft spannende Problematiken der Vergangenheit auf, was hier eher nicht der Fall war. Trotzdem ein sehr schöner, unterhaltsamer Roman für zwischendurch.